Die Blender Cloud war mit großen Plänen gestartet – gefördert durch das Media-Programm der Europäischen Union sollte eine offene Plattform für die Online-Kollaboration kleiner bis mittelgroßer Teams aus dem Bereich 3D-Animation geschaffen werden. Dummerweise waren diese Pläne daran gebunden, dass die Crowdfunding-Kampagne für den ersten abendfüllenden Spielfilm des Blender Institutes gelingen würde. Dieser wäre dann von weltweit verteilten Teams erschaffen worden, mit der Blender Cloud als zentraler Management-Plattform. Leider scheiterte das große Vorhaben, was aber nicht heißt, dass die Pläne für die Cloud eingestampft worden wären.
Statt des Spielfilms gab es bisher nur den Pilotfilm „Cosmos Laundromat – First Cycle“, der einen animago AWARD abgestaubt hat und zukünftig in einzelnen Episoden weitergeführt werden soll. Auch bei der Blender Cloud kommen die Features jetzt eben in Happen anstatt in einem großen Sprint.
Open Source statt Vendor-Lock-in
Bei der Blender Cloud darf man nicht an die Cloud-Strategien anderer Marktteilnehmer im 3D-Bereich denken. Denn es geht nicht darum, Kunden an eine Infrastruktur zu binden, die sie nicht unter Kontrolle haben. Die Blender Cloud ist Open Source Software und kann auch auf privaten Servern oder im Firmen-internen Netzwerk installiert werden. Dann gibt es noch das Cloud-Abo vom Blender Institute. Dabei handelt es sich um eine Instanz der Blender Cloud, die vom Blender Institute betrieben wird und schon mit Inhalten gefüllt ist. Diese kann für 9,90$ im Monat gemietet werden, inklusive Zugriff auf sämtliche Inhalte, die alle unter freien Lizenzen stehen. Im Rahmen dieses Artikels bezieht sich „Blender Cloud“ auf das Angebot des Blender Institutes selber.
Die langsame Öffnung hin zur Community
Die Blender Cloud existiert jetzt schon seit zwei Jahren. Anfangs war sie ein Angebot, um auf sämtliche, vom Blender Institute produzierte, Video-Trainings für Blender und die Open Movies inklusive aller Quelldaten zugreifen zu können. Der gesamte Content steht dabei unter der äußerst liberalen Lizenz „Creative Commons Attribution“ (CC-BY), die die Verwendung der Assets in kommerziellen wie nicht-kommerziellen Projekten unter der Bedingung der Namensnennung des Blender Institutes erlaubt. Während der Produktion von "Cosmos Laundromat – First Cycle" konnten Cloud-Abonnenten, noch während der Film entstand, auf die jeweiligen Assets zugreifen. Dasselbe Prozedere gilt auch beim aktuellen Projekt – einem Animationstest für einen eventuellen Lang-Animationsfilm mit dem Charakter „Agent 327“ aus der gleichnamigen niederländischen Comic-Serie. Nur eben in diesem Fall unter der restriktiveren Lizenz CC-BY-SA, die verlangt, dass man Bearbeitungen ebenfalls unter diese Lizenz stellt.
Im nächsten Schritt öffnete sich die Blender Cloud für Beiträge aus der Blender Community, indem ausgewählte Werke inklusive der Quellen und einer kurzen Dokumentation als CC-BY veröffentlicht wurden.
Inzwischen sind auch zahlreiche Characters aus den Open Movies auf den neuesten Stand gebracht worden. Sprich, sie lassen sich jetzt mit Cycles rendern und haben teilweise auch neue Rigs erhalten. Inzwischen finden sich 18 Characters in der Bibliothek, darunter Ikonen wie der Hase aus "Big Buck Bunny" oder "Sintel" aus dem gleichnamigen Kurzfilm. Eine Besonderheit stellt "Vincent" dar. Er war bisher in keinem Open Movie zu sehen, sondern ist vielmehr ein Demo-Character für das Plug-in "BlenRig", welches ebenfalls auf der Blender Cloud als Teil einer Trainingsserie zur Verfügung steht.
Mit BlenRig lassen sich Biped-Characters auf relativ einfache Weise mit einem qualitativ hochwertigen Rig versehen. Der schon fertig geriggte Vincent hingegen kann genutzt werden, um Posing und Animation zu üben. Dank der CC-BY-Lizenz könnte man ihn sogar zum Star eines eigenen Kurzfilms machen.
Texturen unter CC0-Lizenz
Von Beiträgen aus der Community profitiert auch die Texture Library. Dort finden sich alle Bild-Texturen, die in den Open Movies Verwendung fanden, unter CC0-Lizenz. Sprich, sie sind so weit von Urheberrechts-Ansprüchen befreit, wie es das europäische Recht zulässt. Man kann sie dadurch in beliebigen, auch kommerziellen Projekten einsetzen und dabei sogar unverändert weitergeben.
Zusätzlich gab es schon einige „Spenden“ von Nutzern für die Textur-Sammlungen, sodass die Auswahl inzwischen durchaus ansehnlich ist. Viele der Texturen bringen nicht nur eine Color- sondern auch eine Bump- oder Normal-Map sowie eine Specular Map mit. Auch an nahtlosen Texturen mangelt es nicht.
Die Texturen kann man nicht nur auf der Cloud-Webseite ansehen und herunterladen, sondern auch mit einem Addon direkt in Blender. Dabei werden auf einen Klick sämtliche Maps einer Textur geladen und stehen dann als Datablöcke überall da zur Verfügung, wo in Blender ein Bild geladen wird, also z.B. auch im Compositor und Video Sequence Editor.
Eigene Projekte in der Cloud
Seit Kurzem gibt es jetzt die Möglichkeit, in der Cloud auch eigene Projekte zu erstellen. Insgesamt stehen dafür pro Account 10 GByte an Onlinespeicher zur Verfügung. Die Projekte können mit anderen Cloud-Nutzern geteilt werden, damit diese auch Änderungen daran durchführen können. Bisher beschränkt sich die Möglichkeit, Assets auf diese Art zu verwalten, auf das Hoch- und Runterladen über das Web-Interface. Eine Ausnahme bilden Texturen. In ein privates Projekt hochgeladene Bilder können bereits wie die Texturen aus der allgemeinen Bibliothek über das Blender-Addon angesehen und mit einem Klick heruntergeladen werden.
Da man Projekte teilen kann, lassen sich so auch Textur-Bibliotheken mit anderen Nutzern der Cloud teilen. Es gibt noch zahlreiche Features, die bisher nur von den Teams der Open Movies genutzt wurden und die über die Blender Cloud auch anderen Nutzern zur Verfügung gestellt werden sollen. Dafür wird momentan viel daran gearbeitet, das Bestehende zu verallgemeinern. Denn der Workflow im Blender Institute muss nicht zwingend den Workflows in anderen Studios entsprechen.
Blender-Anbindung für eigene Angebote
Das Addon zum Ansehen und Heruterladen von in der Cloud gespeicherte Texturen setzt ein weiteres Addon voraus: Blender ID Authentification. Dabei handelt es sich um ein Addon, mit dem aus Blender heraus über das Blender ID-System (ähnlich wie OpenID) auf Online-Inhalte zugegriffen werden kann. Momentan wird es nur von besagtem Blender-Cloud-Texture-Browser genutzt. Die Idee ist aber, dass es auch von anderen Teilnehmern eingesetzt werden kann. Wer z.B. momentan eine Seite mit Texturen zum Herunterladen betreibt, kann über das Addon leicht ein Äquivalent zum Blender-Cloud-Texture-Browser entwickeln. Die Nutzer der Seite könnten sich dann direkt aus Blender heraus sicher authentifizieren. Möglich wären natürlich viele Formen von Assets, zum Beispiel Shader- oder Model-Bibliotheken. Auch bei der Blender Cloud soll es natürlich nicht nur bei Texturen bleiben.
The Home Project
Das Schöne an Blender ist, dass man es auf nahezu jedem Computer installieren kann. Noch schöner wäre es natürlich, wenn man dann auch gleich noch alle persönlichen Einstellungen, Keymaps und aktivierten Addons parat hätte. Mit dem Home Projekt der Blender Cloud soll dies möglich werden. Sämtliche Einstellungen und vieles mehr werden in der Blender Cloud gespeichert und können auf Knopfdruck abgerufen werden.
Attract
Attract ist der Name des Shot-Management-Systems, das initial für "Tears of Steel" entwickelt wurde. Im Zuge von "Cosmos Laundromat" wurde es komplett überarbeitet und dann auch für "Glass Half" und "Caminandes 3" eingesetzt. Geplant ist, dass Abonnenten der Blender Cloud über Attract ihre Projekte managen können, wobei auch eine Integration in Blender über ein Addon angedacht ist. Attract soll aber so allgemein gehalten sein, dass man damit auch Nicht-Blender-Projekte managen kann. Über die Features ist noch nicht viel bekannt, es könnte aber bereits bei Drucklegung dieses Artikels integriert sein.
Flamenco
Flamenco hieß ursprünglich "Brender" und wurde schon für viele Open Movies eingesetzt. Mit "Cosmos Laundromat" wurde die Sache ein wenig Meta, da nicht nur die lokale Farm in Amsterdam, sondern auch die Server des Qarnot-Projekts zum Rendern genutzt wurden und damit über Flamenco gesteuert wurden. Sprich: Flamenco ist nicht nur für das Management einer lokalen Renderfarm gedacht, sondern soll über eine API auch Jobs an andere Farmen verteilen können (bisher Qarnot und Render.st). Auch hier soll es wieder ein Addon für Blender geben, mit Authentifizierung über die Blender ID. Dem Zeitplan nach wird Flamenco erst nach Attract in die Cloud integriert.
BAM
In noch fernerer Zukunft steht der Blender Asset Manager (BAM). Das Tool wurde zwar schon in "Cosmos Laundromat" eingesetzt, ist aber noch nicht reif, um auf Künstler auf der ganzen Welt losgelassen zu werden. Vor allem am Interface muss noch viel gearbeitet werden. Und es stellt sich die Frage der Versionsverwaltung (zur Zeit wird nur SVN unterstützt). Die Entwicklung von BAM wird zudem Rücksicht nehmen auf Blender 2.8, wo Asset Management ein großes Thema sein wird.
Fazit
Die Blender Cloud wagt momentan den Sprung vom reinen Anbieter von Inhalten hin zum Angebot von Online-Diensten für den Produktiveinsatz. Die ersten Ansätze sind vielversprechend und die Pläne für die Zukunft klingen solide. Aber selbst nur der Inhalte wegen kann ein Cloud Abo sinnvoll sein. Allein schon deshalb, weil mehr Abonnenten auch mehr neue Inhalte und Features bedeuten, da ca. 40% der eingenommenen Gelder in die Entwicklung von Blender und der Blender Cloud fließen sowie ca. 60% in weitere Inhalte wie Open Movies inkl. deren Assets, Training, Texturen etc.
Dieser Artikel erschien im Magazin Digital Production, Ausgabe 1605. Herunterladen können Sie ihn hier als PDF.