Angefangen hat der Grease Pencil (GP) als Werkzeug, um einfache, von Hand gekritzelte Annotationen im 3D-Raum zu ermöglichen. Das kleine Helferlein hat sich über die Jahre ziemlich gemausert. Inzwischen kann man damit nicht nur Zeichnungen erstellen, sondern diese auch animieren.
Man hat dafür im Hintergrund das mächtige Animations-System von Blender zur Verfügung. Damit kann man dann auf 3D-Objekte etc. gänzlich verzichten und direkt eine 2D-Animation in Blender erstellen.
2D-Animation in Blender? Warum? Wozu? Weshalb?
Die eierlegende Wollmilchsau Blender hat so einige Funktionen parat, wo man auf den ersten Blick meint „wozu das Ganze“? Was haben ein Videoschnitt-System oder eine Game Engine in einem 3D-Programm zu suchen? Und jetzt auch noch ein System für traditionelle 2D-Animation?
Die Antwort ist: Weil Blender den Anspruch hat, alle Phasen der 3D-Animationsproduktion zu unterstützen. Und da stehen ziemlich am Anfang das Storyboard und Animatic. Mit der Kombo aus Grease Pencil und Video Sequence Editor (VSE) lässt sich das inzwischen auch direkt in Blender erledigen. Mit dem VSE wird die Aufteilung in Szenen für die spätere Produktion sozusagen nebenher abgehakt und die Grease Pencil-Zeichnungen befinden sich schon im 3D-Raum, wo man sie Stück für Stück durch echte 3D-Objekte ersetzen kann.
Der Grease Pencil ist inzwischen sehr mächtig geworden und ist gut in das Interface integriert. Er lässt sich animieren, hat einen eigenen Editier-Modus und man kann eine Auswahl an Sculpting-Werkzeugen mit Grease Pencil-Strichen nutzen.
Grease Pencil?
Grob gesagt kann der Grease Pencil dafür genutzt werden, direkt in den 3D-Raum zu malen. Alternativ können die Striche auch auf Oberflächen haften oder werden direkt in den „View“ gezeichnet. Dann landen sie auf einer Art virtuellen Leinwand, die sich über der Szene befindet. Man kann auch in anderen Editoren von Blender mit dem Grease Pencil malen, zum Beispiel im Image Editor oder im Video Sequence Editor. Neben direktem Zeichnen können auch gerade Linien und Polygone erstellt werden.
Die Striche sind beim Malen im 3D Viewport nicht direkt Blender-Geometrie, sondern werden direkt in OpenGL gezeichnet. Beim normalen Rendern sind sie daher auch nicht sichtbar, wohl aber bei allen anderen Viewport-Ansichten und auch beim OpenGL-Rendering. Letzteres ist dann auch der Weg, um GP-Animationen aus Blender herauszubekommen.
Bearbeiten wie üblich
Eine Ebene, in der sich Grease Pencil-Striche befinden, kann beliebig viele Unter-Ebenen erhalten. Die sonst in Blender übliche Beschränkung auf 20 Layers fällt hier also weg. Die Layers werden aber auch benötigt, um Striche mit unterschiedlichen Farben zu realisieren. Denn alle Striche auf einem Layer können nur eine Farbe haben. Füllungen sind auch möglich, momentan lassen sich aber nur konvexe Formen sinnvoll füllen. Für die Zukunft ist aber angedacht, dass auch konkave Formen sauber mit einer Farbe gefüllt werden können.
Obwohl es sich bei GP-Strichen um einen eigenen Datentyp handelt, sind ein großer Teil der Editier-Features von Blender trotzdem auch für Grease Pencil-Striche verfügbar. Ein Strich besteht dabei aus vielen Punkten, die über Linien miteinander verbunden sind. Alternativ können die Punkte auch als Blobs, die ein Volumen haben, angezeigt werden. Die Punkte lassen sich so verschieben und bearbeiten wie Vertices im normalen Edit Mode.
Sculpting
Seit Blender 2.77 können Grease Pencil-Striche auch gesculptet werden. Bei der Arbeit in 2D bedienen sich die Sculpting-Tools eher wie bekannte Werkzeuge aus der Bildbearbeitung. Mit dem Smooth-Brush lassen sich krakelige Striche glätten, der Randomize-Brush macht sie hingegen wieder krakelig. Mit dem Thickness-Brush kann die Dicke der Striche beeinflusst werden und mit dem Grab-Brush können sie mit Falloff bewegt werden, was auch für Verschmier-Effekte eingesetzt werden kann. Der Clone-Brush hingegen arbeitet etwas anders als gewohnt. Man kopiert zuerst mit Strg+C eine Auswahl in die Zwischenablage und kann sie dann wie mit einem Kopierstempel immer wieder in die Szene klicken. Mittels Auswahlmasken lässt sich verhindern, dass man unbeabsichtigt über Stellen sculptet, die man eigentlich nicht verändern wollte.
Animation mit dem GP
Man kann mit dem Grease Pencil also ziemlich gut malen und zeichnen und das Ergebnis später noch bearbeiten. Es geht aber noch weiter, denn man kann die Striche auch animieren. Allerdings nicht, wie von Blender gewohnt, mit Interpolation. Die Striche springen einfach von Keyframe zu Keyframe, wie in der klassischen, gezeichneten 2D-Animation. Dabei dürfen klassische Hilfsmittel wie Onion-Skinning natürlich nicht fehlen. Das bedeutet aber auch, dass es für die Grease Pencil-Keyframes kein F-Curves gibt. Sie finden sich aber im Dope Sheet, wo man sie verschieben, duplizieren, löschen etc. kann.
Das Einfügen von Keyframes für den Grease Pencil funktioniert so, dass man einfach zu einem anderen Frame geht und dann eine Bearbeitung vornimmt. Die Keyframes setzt Blender dabei automatisch. Neue Striche können dabei entweder alle bisherigen auf dem Layer überschreiben oder über die Funktion „Additive Drawing“ zu den vorhandenen hinzugefügt werden. „Additive Drawing“ funktioniert natürlich auch mit dem Radiergummi, sprich wenn man Striche in einem Frame wegradiert, so verschwinden sie während der Animation ab diesem Zeitpunkt.
Den 3D-Raum ausnutzen
Da die GP-Striche im 3D-Raum verteilt werden können, stehen einem natürlich auch dessen Möglichkeiten offen. Man kann zum Beispiel Zeichnungen räumlich in der Tiefe verteilen. Bewegt man dann die Kamera, so erhält man einen perfekten Parallax-Effekt. Man kann auch Hintergründe in einem anderen Programm malen und dann über das Addon „Images as Planes“ importieren und in der 3D-Szene positionieren.
Da GP-Striche auf Wunsch auf Objekten haften, kann man 3D-Kulissen bauen und diese dann mit dem Grease Pencil sozusagen rotoskopieren. Wenn man dann die ursprünglichen 3D-Objekte versteckt, schweben die Linien sozusagen im 3D-Raum, man kann aber immer noch die dreidimensionalen Formen erkennen. Über diesen Weg lassen sich Umgebungen aufbauen, in denen komplexe Kamera-Bewegungen möglich sind und trotzdem alles wie gezeichnet aussieht.
Die Tiefenunschärfe, die im 3D-View von Blender und damit auch beim OpenGL-Renderer zur Verfügung steht, funktioniert auch mit Grease Pencil-Strichen. Was jedoch nicht unterstützt wird ist Ambient Occlusion und auch auf Lichtquellen reagieren die Striche nicht. Dafür könnte ein derzeit in Entwicklung befindliches Add-on aber Abhilfe schaffen.
Add-ons
Das Potential des Grease Pencils haben natürlich auch die Entwickler von Erweiterungen für Blender, sogenannte Add-ons, entdeckt. Viele davon sind allerdings noch nicht veröffentlicht, sodass lediglich Demonstrations-Videos auffindbar sind. Am vielversprechendsten ist das Add-on „GP Tools“, mit dem sich Grease Pencil-Striche in richtige Geometrie verwandeln lassen werden, und das animiert. Momentan ist lediglich eine Konversion in Kurven möglich, und das auch nicht animiert und ohne Füllung. Mit dem neuen Add-on können Grease Pencil-Animationen dann auch beleuchtet werden und lassen sich nicht nur über OpenGL, sondern auch mit den restlichen Render-Engines wie Blender Internal oder Cycles rendern. Und das Aussehen wird sich über die Linien-Render-Engine Freestyle noch deutlich ausgefeilter beeinflussen lassen.
Grease Pencil in Kombination mit dem Videoschnitt
Der Grease Pencil integriert sich hervorragend ins Videoschnitt-System von Blender, dem Video Sequence Editor (VSE). Man muss lediglich darauf achten, auch im VSE das OpenGL-Render-System zu nutzen. Mittels Scene Clips lässt sich die Animation dann direkt schneiden und auch die Vertonung kann so direkt in Blender geschehen. Dank der Camera Override-Funktion können in einer Szene verschiedene Kamera-Ansichten genutzt werden, zum Beispiel Close Ups und Totalen. Und Last but not Least kann im VSE über Effect Strips und Modifiers sogar noch ein einfaches Compositing durchgeführt werden ohne den Umweg über einen Zwischen-Render.
Fazit
Mit dem Grease Pencil wird Blender zur Open Source 2D-Animations-Suite. Und während Sie diesen Artikel lesen, wird bereits weiter daran gearbeitet. In der nächsten Version von Blender wird man die Striche bereits während des Zeichnens glätten können, sodass man nicht mehr hinterher mit dem „Soften“-Pinsel aus dem Sculpting-Werkzeugkasten darüber fahren muss, wenn man eine weiche Zeichnung haben will. Und die Striche werden sich während des Zeichenvorgangs unterteilen lassen, wodurch auch schnell gezeichnete Elemente noch genug Punkte haben werden, um sie fein nachbearbeiten zu können. Diese Features sind in aktuellen Daily Builds von Blender, welche man von http://builder.blender.org beziehen kann, bereits implementiert.
Dieser Artikel erschien im Magazin Digital Production, Ausgabe 1604. Herunterladen können Sie ihn hier als PDF. Darüber hinaus gibt es noch ein Interview mit Joshua Leung aka „Aligorith“, dem Hauptentwickler der Grease Pencil-Werkzeuge und mit Daniel M. Lara über deren Einsatz für 2D-Animation.